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Ich hatte einen Traum

Ich hatte einen Traum von einer Lebensgemeinschaft in Maison Libellule. Ich träumte ihn ein Jahr lang, und dann brach er auseinander. Ganz schnell, schon fast rasend, lagen die Trümmer zu Füssen. Was im letzten Jahr so gut gestartet ist, was so viel hat entstehen lassen, was so viel Potential hatte, was unterwegs war zu mehr, löste sich in diversen Gesprächen im Februar - sogar in Anwesenheit Dritter - in Luft und Asche auf. Heute denke ich, es war schon lange zu spät. Der Entscheid fiel schon viel früher. 

 

Hätte ich es vorher sehen müssen? Habe ich Anzeichen ignoriert? Gab es denn überhaupt welche? Ja, gab es wohl schon. Auch kamen gewisse Bedenken meinerseits zur Sprache. Doch die Bitte, Zeit zu lassen, Zeit zu geben, wollte ich nicht ablehnen. 

 

Wenn ich heute überlege, was ich falsch gemacht habe, wo meine Fehler liegen, und was vielleicht andere, die ein ähnliches Projekt im Sinn haben, helfen kann, die gleichen Fehler zu vermeiden, dann sind das folgende Punkte:

  • Auf einer Probezeit bestehen, egal, wie toll es sich anfühlt oder wie sehr man helfen will
  • Wenn Verträge gemacht werden, macht die nicht als Mietvertrag, sondern als Gemeinschaftsvertrag. Macht sie gemeinsam und lasst sie von Drittpersonen bezeugen
  • Eine Kaution hinterlegen, die hilft, allfällige materielle Schäden in Grenzen zu halten
  • Von Anfang an Drittpersonen oder eine Art Supervision miteinbeziehen

Ein anderer grosser Fehler, den ich mir und meinem Charakter zuschreibe ist der, dass ich es wollte. Ich wollte es unbedingt; ich wollte die Gemeinschaft; ich wollte, dass es klappt; ich wollte, dass es weitergeht. Wenn dieser Wille nicht so stark gewesen wäre, dann hätte er bestimmt auch die Bedenken nicht übertönt. 

 

Aber ja, das sind Dinge, die man im nachhinein sehr klar sehen kann. Aber im Moment wollte ich meine Träume leben und auch die des anderen unterstützen. 

 

Ich dachte eigentlich auch lange, dass mit viel Reden, mit sich erklären, dem anderen gut zuhören, einfach auch genügend Licht und Verständnis in eine Sache kommt. Und dass diese Klärung hilft, Grenzen zu überwinden, Dinge stehen zu lassen, einfach, weil man den anderen dann besser versteht. Aber auch hier musste ich lernen, dass es dazu die Teilnahme aller bedarf. Es reicht nicht, wenn nur einer sich öffnen will. 

 

Wer mich kennt, der weiss, dass ich jemand bin, der gerne gibt, der gerne teilt. Ich bin auch jemand, der es gerne offen und direkt mag. Ich bin trotz meiner Schwächen eine selbstbewusste und starke Persönlichkeit. Ich mag es auf gleicher Augenhöhe zu reden. Und ich reagiere allergisch, wenn Menschen die Verantwortung abgeben und sich als Opfer sehen. Ich habe ausserdem eine ethische Vorstellung von Verbindlichkeit und Verantwortung. Die unglücklich verlaufene und kurze Geschichte der Lebensgemeinschaft Libellule brachte leider zu Tage, dass ich diese Einstellung nur mit wenigen Menschen teilen kann. 

 

Viele Menschen wünschen sich so ein Leben hier draussen, weg von allem, vom Alltag, ein Leben ohne Hektik und Stress. Aber ein jeder nimmt sich mit, mit seiner ganzen Geschichte, nimmt sich selbst mit. Und irgendwann, nach der Euphorie, dem Alten entronnen zu sein, steht er dann wieder da, mit sich selbst. Die Kulisse ist eine andere, aber der Mensch ist noch derselbe.

 

Enttäuschungen führen aber bekanntlich zur Einsicht, zur Auflösung der Täuschung. Nun stehe ich da, mit einer Illusion weniger. Und nicht nur einer. Denn mit dieser einen Täuschung haben sich auch andere offenbart. Aber dazu vielleicht ein andermal. 

 

Maison Libellule ist ein zauberhafter Ort und wird es immer bleiben. Aber ob ich hier weiter bestehen kann und will ist ungewiss. 

 

Es hat viel Kraft gebraucht, den Bruch zu verdauen, die Motivation hat argen Schaden erlitten und die Effekte der materiellen Verluste werden noch lange spürbar sein. 

 

Im Moment ist die Lebensgemeinschaft Libellule eine, die sich auf ihre Helfer verlässt und auf echte Freunde. Sie wird vorderhand Gästen und Freunden offen stehen, und natürlich Menschen, die sich eine Auszeit gönnen, oder einfach ein wenig Abstand vom Alltag verschaffen wollen.

 Silvana, April 2018